Pararealität
Die abstrakte Komposition als Wegweiser in eine neue Realität
Am Ende des 20. Jahrhunderts tritt die Malerei auf der Stelle. Seit Dekaden in zwei Lager gespalten, kreist der eine Teil um die abstrakte Geste während der andere, stets bemüht, auf der Suche ist, nach dem vermeidlich wichtigen Inhalt.
Die, die den Inhalt wichtig machen wollen, liefern sich ein aussichtsloses Rennen mit allen anderen Bildmedien, deren Aktualität und Präzision unerreicht bleibt oder sind verhaftet in surrealer Elegie (Wehmut). Das vermeidlich bedeutende Sujet bleibt banal.
Angetrieben durch den unbändigen Willen, sich zu behaupten, erhebt die abstrakte Fraktion, fast technokratisch, die malerische Geste, als Prozessinformation, zum Bildinhalt. Unkritisierbar, so lautet das Motto, das sich nicht selten in ein Scheißegal versteigt.
Aber was malen, wenn außer der eigen Behauptung: "Das ist ein Bild und deswegen ist es wichtig" keinerlei Zwangsläufigkeit mehr existiert? Wie neue Kriterien finden, wenn aller Innhalt, trotz scharfer Oberfläche, gleichermaßen banal ist?
Das Verfahren
Zunächst gilt es, das dumm gewordene Auge wieder zu erhellen.
Sehen ist das Kapital des Malers. Sehen, und das Sichtbare, oder Sehmögliche, für jedermann offensichtlich zu machen; darin muss die Aufgabe der Malerei bestehen.
Es ist nicht das "originelle Ding in der kuriosen Perspektive", das die Malerei zwangsläufig macht. Andere Disziplinen schaffen das exakter und schneller. Und wie wichtig kann schon ein Duktus sein, ohne inhaltliche Substanz? Es gilt ebenfalls, nicht nachzulassen in dem Unterfangen, antrainierten Sehgewohnheiten zu widersprechen.
Es ist und bleibt defizitär, wenn die, durch digitale Medien konditionierte Aufnahmemöglichkeit, bei unbewegten optischen Reizen ca. drei Minuten nicht mehr überschreitet.
Das dekorative Problem
Ein gutes Bild hat auch immer eine dekorative Komponente.
Es muss allerdings gewährleistet sein, dass es innerhalb des Ambientes, immer ein Fenster in eine neue Dimension bildet. Bilder die lediglich zu störungsfreien Abrundung des Interieurs dienen, sind also ebenso zu bewerten, wie die anderen Design Elemente.
Das Schärfeproblem
In der malerischen Auseinandersetzung mit Realität ist optische Schärfe immer ein bedeutsames Thema gewesen.
Die gesamte Kunstgeschichte hindurch, bis hin zum Realismus der 70iger, oder auch z.B. in der Leibziger Schule, wird die geschärfte Oberfläche als Maßstab für malerische Klasse angesehen.
Als gelte es auf Teufel komm ´raus, über kleinste gemeinsame Nenner, ein sehschwaches bis blindes Publikum, zu beeindrucken. Tatsache ist, dass es, um eine gemalte Komposition, im realistischen Sinne deutbar zu machen, nur angedeuteter, angerissener, Anhaltspunkte bedarf.
Wann etwas zu einem deutbaren Ding wird, entscheidet sich nicht am Grad der oberflächlichen Schärfe, sondern im Gehirn des Betrachters, dessen abgespeichertes Mustermaterial schon in frühen, vorpräziesen Stadien, Deutungsangebote abgleicht und zuordnet. Dieses Phänomen lässt sich wunderbar schulen und trainieren.
Für Malerei kann das nur bedeuten, dass ein Zustand der Schärfe erreicht werden muss, der im Betrachter eine Assoziation auslöst, also an den Moment heranreicht, in dem ein Ding werden will Eine Voraussetzung dafür ist allerdings der sichere Umgang mit den malerischen basics: Anatomie, Architektur, Material und Technik.
Interferenz
Die Grenze dieses Moments gilt es zu erreichen, um glaubwürdig einen Prozess nachvollziehbar zu machen, in dessen Kern es um dieses Auslösen der Assoziations- Reizschwelle im Betrachter geht.
Gleichzeitig wird, durch Begrenzen, durch das Aufschlüsseln Abstrakter Sequenzen, der unaufgeschlüsselte, rein malerisch Bereich, in die Assoziationsdynamik mit eingebunden.
Ist der Prozeß , eine Art "Interferenz", ausgelöst, findet eine, Sujet unabhängige, andauender Bild- Betrachter-Interaktion statt.
Eine Art visuelles Perpetuum mobile ist entstanden. Die Kraft beginnt zu wirken.
Neue Realität
Die Bildfindung, aus einem solchen Prozess heraus, befasst sich mit tatsächlich neuer Realität. Die Entscheidung zum Sujet unterliegt ausschließlich seherischen, deutenden, Kriterien. Der Künstler zeigt genau eine, von unendlich vielen Möglichkeiten, einer ästhetischen Bildfindung auf, diese aber ist zwangsläufig (wie alle anderen, nicht gezeigten, auch). Sinnhaftigkeit ist ausschließlich in der Realität "gemaltes Bild" zu suchen, geleitet von der Konstanten: Elegante Lösung.
Das Ergebnis ist immer der Blick in eine neue Dimension, in eine, eben gleichermaßen existierende Realität.
Pararealität ist entstanden.
An den Künstler
Wenn ich etwas sehe, und das Gesehene nicht einordnen kann, dann ist das ein Problem
Versuche ich etwas Gesehenes wiederzugeben, ist das ein technischer Vorgang
Sehe ich etwas, das mich überraschend fasziniert, so sollte ich es für alle sichtbar machen
Versuche ich, etwas Erahntes zu ergründen und schaffe ich es, diesen Prozess zu visualisieren, also allgemein sichtbar zu machen, ist das ein spiritueller Vorgang
Von etwas ausgehen --- in etwas hineingehen